In der Kirche

Das Einhorn in Paradies und Arche

Schon in einigen Übersetzungen der Schöpfungsgeschichte ist das Einhorn unter den Tieren des Paradieses zu finden. Laut einer frommen Legende forderte Gott Adam auf, sämtlichen Tieren einen Namen zu geben. Das erste Tier, daß von Adam seinen Namen erhielt, war das Einhorn. Daraufhin berührte Gott das Horn und stellte das Einhorn über alle anderen Tiere. Hauptaufgabe des Einhorns im Paradies war laut einer Legende die Bewachung des Baum des Lebens. Nach dem Sündenfall bekam das Einhorn die Wahl, im Paradies zu bleiben, oder den Vertriebenen zu folgen. Das Einhorn entschied, Adam und Eva zu begleiten und erhielt für sein Mitleid die besonderen Gaben, die ihm nachgesagt werden.

Fragt man fromme Leute, wo denn die Einhörner auf dieser Welt geblieben sind, haben sie eine mehr oder weniger schlüssige Antwort: " Sie hatten in der Arche Noah keinen Platz mehr gefunden und sind deshalb bei der großen Sintflut jämmerlich ertrunken." Als Beweis dienen die Elfenbeinüberreiste, die im Erdreich gefunden werden und angeblich von den ertrunkenen Tieren stammen.
Allerdings gibt es viele Versionen dieser Legende. So wird in einer das Einhorn an der Seite der Arche festgebunden, so daß an dieser Seite das sonst kochend heiße Wasser wunderbar kalt blieb. In der polnisch-russischen Version schwimmt das Einhorn so lange, bis verängstigte Vögel sich auf sein Horn setzen und es unter Wasser drücken.
1702 wundert sich Andreas Glorez von Mährn, dass die Einhörner angeblich nicht in die Arche gewollt hätten "... da doch Weibsbilder darinnen gewesen / welche sie / wie oben gemeldt / so sehr lieben."
Das Einhorn muß die Sintflut jedoch eindeutig überlebt haben, denn es wurde ja später noch zum Mariensymbol.

Das Einhorn als Mariensymbol

Die angebliche Anziehungskraft von Jungfrauen auf das Einhorn, die auch häufig in der Einhornjagd angedeutet wurde, hat auch schnell die christliche Kirche mit der berühmtesten aller Jungfrauen auf den Plan gerufen. Auf der einen Seite ein geschickter Schachzug, die Kirche für das niedere Volk verständlicher zu machen, denn diese Zielgruppe war nunmal mit dem Einhorn vertrauter als mit der unbefleckten Empfängnis, auf der anderen Seite ein simpler Übersetzungfehler der alten Schriften.
Ein besonders beliebtes und häufig verwendetes Motiv in der christlichen Kunst war Maria mi geschlossenen Garten (hortus conclusus). Die Jungfrau ist umgeben von Mariensymbolden, unter anderem das Einhorn. Erzengel Gabriel hat die Rolle des Jägers übernommen und bläst das Jagdhorn. Vier Jagdhunde symbolisieren die Kardinalstugenden: Wahrhaftigkeit (Veritas), Gerechtigkeit (Justitia), Barmherzigkeit ( Misericordia) und Friedfertigkeit (Pax). Das Einhorn selbst wird auf die Christus bezogen, "denn er hat aufgerichtet ein Horn im Hause Davids, unseres Vaters, und ein Horn des Heils ist er uns geworden (luk. 1,69). Nicht konnten Engel und Mächte seiner Herr werden (1.Petr. 3,22), sondern er nahm Wohnung im Leibe der wahrhaftig reinen Jungfrau Maria." Das Einhorn, Symbol für Christus, das im Schoß Mariens ruht, symbolisiert damit die Verbundenheit Jesu zum sündigen Menschen. Das einzelne Horn wurde als Symbol für die Einheit von Christus und Vater interpretiert.

Der Irrtum

An verschiedenen Stellen wird in der heiligen Schrift ein starkes, gehörtes Tier Namens re'em beschrieben. Man geht heute davon aus, daß damit ein Wildstier oder Auerochse gemeint war, der auf antiken Mosaiken und Reliefs mit einem einzigen Horn dargestellt wurde. Diese Darstellung ließ die griechischen Bibelübersetzer fälschlicherweise re'em mit monokeros (Einhorn) übersetzen. So fand das Einhorn seinen Einzug in die christliche Symbolik. Auch ein kirchliches Verbot der Einhorn-Legende Ende des 15. Jahrunderts konnte dem keinen Einhalt gebieten. Noch heute haben viele weibliche Heilige ( Agatha, Clara von Assisi, Justina von Padua) das Einhorn als Symboltier für ihre Reinheit und Keuschheit.

Ausschnitt aus "Lexikon zur Bibel" von Fritz Rienecker

Wildstier assyr. Darstellung

Einhorn (hebr. reem, griech. monokerôs).

Ein wildes und starkes Tier (4 Mo 23,22; Hi 39,9-12; Ps 22,22; 29,6; 92,11; Jes 34,7) mit 2 Hörnern (5 Mo 33,17). Die Übersetzung E. geht auf LXX zurück (Anm.: LXX ist die Bezeichnung für die Septuaginta); man wußte wohl damals nicht mehr genau, welches Tier mit reem gemeint war. Wahrscheinlich haben wir an den heute ausgestorbenen Ur oder Wildstier (Bos primigenius) zu denken, der akkad. rimu heißt. Eine sehr lebendige Darstellung einer Wildstierjagd vom Wagen aus bietet eine Goldschale aus Ras Schamra (Ugarit; Mitte des 2. Jt. v. Chr.), und auch von Thiglath-Pileser I. (um 1100 v. Chr.) wissen wir, daß er den Wildstier noch in Syrien gejagt hat. Bei den assyr. Darstellungen des Tieres ist im Profil oft nur ein Horn zu erkennen.

Quelle: Rund ums Einhorn - Das Einhorn als Fabelwesen und Wappentier, Thilo Mangold
Lexikon zur Bibel - per Mail von Marco (vielen lieben Dank!)

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